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Einheit ohne Wahrheit

Die »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre« von Lutherischem Weltbund und Römisch-katholischer Kirche

Von R. Möckel - Kein anderes Evangelium

Augsburg, 31. Oktober 1999. An diesem Tag setzten hochrangige Vertreter des Lutherischen Weltbundes einerseits und der Römisch-Katholischen Kirche andererseits ihre Unterschrift unter ein wichtiges Schriftstück: Die »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre«. Anliegen des Dokumentes war es, einen »Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre« zu erreichen und darzustellen, um auf diesem Wege einen »entscheidenden Schritt zur Überwindung der Kirchenspaltung« zwischen Evangelisch-lutherischer und Römisch - katholischer Kirche zu vollziehen.

Das Dokument besteht aus insgesamt drei Teilen: Der »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre«, einem Anhang (»Annex«) und einer »Gemeinsamen Offiziellen Feststellung«. Bis heute ist das Dokument umstritten: Von einigen wird es als bahnbrechender ökumenischer Erfolg gefeiert, von anderen dagegen (z.B. von 239 deutschsprachigen evangelischen Theologen) entschieden abgelehnt.


Eine verwirrende Lage

Vielen Christen fällt es schwer, sich eine eigene Meinung zur »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« zu bilden. Finden sich denn nicht in diesem Schriftstück so zentrale Schlüsselbegriffe evangelischen Glaubens wie zum Beispiel das »allein durch den Glauben« und »allein aus Gnade«? Kann man denn eine Erklärung ablehnen, die scheinbar doch ganz auf biblisch-reformatorischer Grundlage steht? Die Lage ist verwirrend.

Altes Etikett, neuer Inhalt

Wer die »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre« fair beurteilen will, tut gut daran, genau hinzusehen. Tatsächlich ist es nämlich so, dass hier ein Verwirrspiel mit Worten und Begriffen im Gang ist, das nicht jeder auf Anhieb durchschaut. Altvertraute biblisch-reformatorische Begriffe wie Gnade, Glaube und Rechtfertigung werden unter der Hand mit neuen Inhalten gefüllt. Das Etikett ist dasselbe geblieben, aber der Inhalt hat gewechselt.

Das ist wie mit jener Familie, die in ihrem Urlaub in Italien hochwertige Videorecorder zu einem sehr günstigen Preis erstanden. Allerdings erwiesen sich die Geräte beim Auspacken zu Hause als Imitationen aus schwarz bemalter Spanplatte und Sperrholz. Was die ahnungslosen Urlauber in die Irre geführt hatte, war dies: Die vermeintlichen Markenartikel waren mit den Logos der Originalgeräte beklebt und im Originalkarton verpackt.

Die »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre« arbeitet nach einem ähnlichen Prinzip: Sie verwendet altvertraute »Markenzeichen« und »Verpackungen«. Dahinter verbergen sich jedoch andere Inhalte.


Gnade - ein Wort wird vereinnahmt

Beispielhaft kann man das am Gebrauch des Wortes »Gnade« sehen: Die »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre« spricht in der Tat davon, dass der Mensch »allein aus Gnade« vor Gott gerecht (akzeptabel) wird. Aber sie vereinnahmt diesen Zentralbegriff der Reformation und füllt ihn mit neuem Inhalt. Erkennbar wird das an einem Namen, den sie im selben Atemzug mit dem »allein aus Gnade« nennt: Dem Namen Thomas von Aquin. Thomas von Aquin war ein namhafter katholischer Theologen des Mittelalters. Er lehrte, die Gnade Gottes sei ein Gut, das der (katholischen) Kirche zur Verwaltung und zur Vermehrung anvertraut sei. Durch bestimmte Kanäle (wie zum Beispiel durch die Taufe, Messopfer, Beichte, Ablässe) könne die Gnade Gottes durch Vermittlung der Kirche auf den einzelnen übergehen. Die Kirche (als Institution) stehe als Gnadenvermittlerin zwischen Mensch und Gott.

Diese Lehre des Thomas von Aquin prägte und prägt die katholische Kirche bis heute in entscheidender Weise. In der Tat ist es so, dass die Mitglieder der katholischen Kirche lebenslang von diesem Gnade vermittelnden Dienst ihrer Kirche abhängig bleiben, wenn sie die Gnade in Anspruch nehmen wollen.


Die Wiederentdeckung der Wahrheit

Demgegenüber brachte Martin Luther in der Reformation die biblische Wahrheit wieder zur Geltung. Er zeigte, dass die Gnade direkt und ohne jede menschliche Vermittlung von Gott im Glauben empfangen wird. Gnade ist die unverdiente Gerechtsprechung des sündigen, verlorenen Menschen um des stellvertretenden Sühneopfers Christi willen.

Das heißt: In dem Moment, wo ein Mensch seine Sünde vor Gott bekennt und Jesus im Glauben als Herrn und Erlöser annimmt, ändert sich alles: Seine Schuld wird vergeben und seine Sünde getilgt. Er wird begnadigt. Das Verdammnisurteil, das vielleicht schon viele Jahre auf ihm gelegen hat, wird aufgehoben und ist mit sofortiger Wirkung null und nichtig. Es gilt nur noch die Begnadigung Gottes. Und die hat das letzte Wort. Sie kann durch niemand und nichts mehr aufgehoben werden. Sie ist endgültig. Denn: Gott ist die letzte Instanz. Über ihm gibt es keinen mehr, der noch etwas zu sagen hätte.

Es gilt also: Wer zum Glauben an Jesus Christus kommt, empfängt um seinetwillen Vergebung der Sünden (Gerechtigkeit). Die Kirche als Institution hat dabei keinerlei vermittelnde oder verwaltende Funktion. Wenn also in der »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« die Wendung »allein aus Gnade« auftaucht, so ist sie im katholischen, nicht aber im reformatorischen Sinne gemeint! Hinter der Wendung »allein aus Gnade« steht unbemerkt die ganze unbiblische Gnadenlehre der katholischen Kirche, nicht aber die Gnadenlehre der Bibel und der Reformation. Hinter dem altvertrauten Etikett verbirgt sich ein ganz anderer Inhalt.


Ablass oder Gnade?

Dazu passt, dass Papst Johannes Paul II. für das Jahr 2000 einen großen Jubiläumsablass verkündet hat: Wer im Jahr 2000 einige wenige ausgewählte Kirchen in Rom besucht, dort den Rosenkranz betet und an der Messe teilnimmt, sowie für einen Tag auf Rauchen und Alkohol verzichtet, kann Gnade und Vergebung für sich und bereits Verstorbene bekommen (so die Behauptung des Papstes). Wäre das »allein aus Gnade« in der »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« wirklich im biblisch-reformatorischen Sinne gemeint, dann hätte es diesen Jubiläumsablass gar nicht geben dürfen oder man hätte ihn seitens der katholischen Kirche sofort widerrufen müssen. Dass dies nicht geschah, zeigt überdeutlich, dass das »allein aus Gnade« in der »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« nicht im biblisch-reformatorischen Sinn gemeint sein kann.


Glaube - ein Begriff und seine Verfälschung

Interessant ist auch, wie mit dem Begriff »allein durch den Glauben« in der »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« umgegangen wird. Auf den ersten Blick meint man hier wiederum, einen Schlüsselbegriff der Reformation vor sich zu haben. Aber der Eindruck trügt: Glaube ist nach katholischer Lehre eine (übernatürliche) Tugend, die der Mensch durch die von der katholischen Kirche vermittelte Gnade entwickelt. Durch den Glauben kann er gute Taten tun und Verdienste vor Gott erwerben. Mit beidem trägt er selbst zu seiner Erlösung bei.

Nach biblisch-reformatorischer Lehre ist der Glaube aber keineswegs eine Tugend, mit der der Mensch zu seiner Erlösung beitragen kann. Kein Mensch kann irgendetwas zu seiner Erlösung beitragen! Glaube ist vielmehr die von Gott durch das Wort geschenkte Bereitschaft des Menschen, Heil und Rettung um Jesu willen von Gott zu empfangen. Die »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre« verschweigt diese Unterschiede. Sie öffnet den biblischen Begriff des Glaubens unter der Hand für neue (katholischer Lehre entsprechende) Inhalte.


Richtiges Etikett, falscher Inhalt

Und damit ist klar: Wenn die »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre« die Begriffe »allein aus Gnade« und »allein aus Glauben« verwendet, dann meint sie etwas völlig anderes als Bibel und reformatorische Bekenntnisschriften es vorgeben. Sie präsentiert die unbiblische katholische Rechtfertigungslehre unter biblisch-reformatorischem Etikett.

Die Rechtfertigungslehre, wie sie sich in der Bibel und in den Bekenntnisschriften der Reformation findet, wird auch heute noch von der katholischen Kirche abgelehnt. Es ist nur die Rechtfertigungslehre, wie sie in der »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« dargelegt wird, die sie akzeptiert. Und die ist eben massiv von der Lehre der katholischen Kirche beeinflusst.


Die Preisgabe der Wahrheit

Die »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre« hat sich nicht nur inhaltlich von der Bibel und den Bekenntnisschriften der Reformation gelöst. Sie hat auch der unbiblischen katholischen Gnaden- und Rechtfertigunsglehre Tür und Tor geöffnet. Nur die alten Etiketten (»allein durch den Glauben« / »allein aus Gnade«) sind geblieben.

Bezeichnenderweise verliert die »GE« darum auch kein kritisches Wort über die Grundlinien katholischer Gnadenlehre, Glaubenslehre und Rechtfertigungslehre. Sie verliert kein Wort über die Rolle der Priester, ohne deren Lossprechung in der Beichte es nach katholischem Verständnis keine wahre Sündenvergebung gibt. Sie verliert auch kein Wort über das katholische Messopfer. Das ist kein Zufall. Hätte sie es getan, wäre die vermeintliche Einigung in der Frage der Rechtfertigungslehre gar nicht zustande gekommen. Sie wäre dann vielmehr von vornherein als das erkennbar geworden, was sie in Wahrheit ist: Ein Etikettenschwindel mit Worten, der die kostbare biblische Wahrheit verwässert und preisgibt.



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Ins Netz gesetzt am 05.10.2004; letzte Änderung: am 22.04.2010
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